Stadtplan

Das "Fliegerviertel" in Tempelhof

Ein anderes Beispiel ist das Fliegerviertel in Tempelhof. Verlässt man heute das Flughafengebäude, das, 1934-1939 von Ernst Sagebiel in erdrückender NS-Ästhetik errichtet wurde, wird man gleich von zwei Reichsadlern begrüßt, die links und rechts des Gebäudes in Sandstein prangen. Direkt vor dem Flughafen beginnt die Hauptstraße, die Manfred-von- Richthofen- Straße. Manfred von Richhofen, besser bekannt als der "Rote Baron" wurde durch seine "Leistungen" im I. Weltkrieg bekannt. Er war Offizier der kaiserlichen Luftwaffe und mit 81 Abschüssen der "erfolgreichste deutsche Jagdflieger". Am 21. April 1918 wurde er selbst Opfer seiner Luftgefechte.

Nach weiteren Recherchen findet man zahlreiche weitere "Helden der Lüfte", die mit einem Straßennamen beehrt wurden. Auf den ersten Blick erscheint es logisch, dass ein Wohnviertel in Flughafennähe nach Fliegern benannt wurde. Der eigentliche Hintergrund dieser Fliegerehrung ist aber ein ganz anderer.

Reichsadler am Flughafengebäude
Die Richthofenstraße wird feierlich getauft

"Tag der Luftwaffe"

Der 21. April, der Todestag Richthofens, wurde 1936 offiziell zum "Tag der deutschen Luftwaffe" ernannt. Zu diesem Anlass wurden mit viel Pomp 16 Tempelhofer Straßen durch NS-Parteiprominenz feierlich umgetauft. Sie erhielten Namen von "Fliegerhelden" des I. Weltkrieges. Initiator dieser Umbenennungen war der "Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe", Hermann Göring, ebenfalls Offizier der kaiserlichen Luftwaffe.

Der Staatskommissar für die Hauptstadt, Julius Lippert, und der Staatssekretär der Luftfahrt, General Milch, hielten flammende Reden. Dr. Lippert pries den "...mannesmutigen Einsatz und die totbereite Pflichterfüllung" der geehrten "Helden". General Milch dankte auch den noch lebenden Fliegern des "großen Krieges", die am Aufbau der neuen Luftwaffe mitwirkten. Damit meinte er die "Größen" im Reichsluftfahrtministerium wie Göring, Udet, Loerzer und viele andere. Außerdem dankte er dem Führer, der "..nach den schmachvollen Jahren Deutschland herausführte und dem deutschen Volk die Wehrmacht wiedergab".

Der "Tag der Luftwaffe" in den Medien

Die NS-Presse widmete diesen "Helden" mehrere Seiten. So konnte man im "Völkischen Beobachter" u. a. lesen: "... 18 Jahre sind seit diesem 21.4. des letzten Kriegsjahres vergangen, an dem Richthofen sein Leben dem Vaterland schenkte. In dieser Zeitspanne liegen der Niedergang unseres Volkes, seine größte Schmach, Not und Verzweiflung, aber auch junge Hoffnung und erfolgreicher Kampf, starker Glaube und schöner Sieg, Aufstieg und neue Größe. Heute stehen die Helden des großen Krieges wieder auf vor unseren Augen als hehre Vorbilder und Menschen, denen es nachzueifern gilt im Denken und Handeln. ... -heute donnern wieder die Maschinen unserer jungen Luftwaffe am Himmel!".

Völkischer Beobachter

So heißt es im Völkischen Beobachter vom 21. April 1936:

"Neue Straßennamen in Tempelhof

EIN FLIEGERVIERTEL AM FLUGHAFEN

Staatssekretär Milch und Staatskommissar Dr. Lippert

sprechen bei der feierlichen Einweihung

Zur Ehrung gefallener und gestorbener Kriegsflieger findet am Tag der Luftwaffe, 21. April 1936, 16 Uhr, auf dem Paradeplatz in Neu-Tempelhof die feierliche Umbennung mehrerer Straßen nach bekannten Fliegerhelden statt. Diese Umbenennungen wurden auf Vorschlag des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Göring, sowie des Staatskommissars der Hauptstadt Berlin vom Polizeipräsidenten verfügt.(...)

Bei der Feier werden in Vertretung des Reichsministers der Luftfahrt, Staatssekretär Milch und Staatskommissar Dr. Lippert sprechen. Die Erweisung der militärischen Ehren während der Feier erfolgt durch eine Kompanie der Wachtruppen der Luftwaffe Berlin.

Völkischer Beobachter

Rittmeister Manfred Freiherr v. Richthofen, gefallen am 21.April 1918 als Kommandeur des Jagdgeschwaders Nr. 1, nachmals "Jagdgeschwader Richthofen". Nach dem Tode Boelckes das große Vorbild deutschen Fliegertums. 80 Abschüsse. Pour le Merite am 12. Januar 1917. Begründer der Taktik des Geschwaderkampfes. Überragende Führernatur.

Hauptmann Oswald Boelcke, gefallen am 28. Oktober 1916 als Führer der Jagdstaffel 2, nachmals "Jagdstaffel Boelcke". 40 Abschüsse. Pour le Merite am 12. Januar 1916. Der große Meister der deutschen Jagdfliegerei und Begründer der Taktik des Staffelkampfes. Sein Erbe übernahm nach seinem Tode sein großer Schüler M. v. Richthofen."

Und so weiter...

Hintergedanke dieser Aktion war, den militärischen Pathos wie "Heldentum", "Opferbereitschaft", "Pflichterfüllung" zu vergegenwärtigen. Es war ein kleiner aber nicht unwichtiger Beitrag das Volk auf Militär, Aufrüstung und einen neuen Krieg einzustimmen.

Straßenschild

Neuanfang?

Nach 1945 gab es konkrete Pläne zur Umbenennung dieser Straßen. So sollten alle nationalsozialistischen und militärischen Namen ein für allemal getilgt werden. Zum Beispiel hätte der Kriegsheld Manfred von Richthofen dem Pazifisten und Anarchisten Erich Mühsam weichen müssen. Leider wurden diese Pläne nicht realisiert. Im Gegenteil - so erhielt mit der Udetzeile 1957 eine weitere Straße den Namen eines Fliegeroffiziers des I. Weltkriegs.