"Jeder Mensch hat die Pflicht zu überleben..."

Einmal in der Woche traf man sich zum Schabbat; hier z. B. im Scheunenviertel bei der Familie LewinAm 27. Februar 1943, dem Tag der sogenannten "Fabrikaktion", an dem die letzten Berliner Juden deportiert werden sollten, versammelten sich in der Wohnung Edith Wolffs mehrere Jugendliche der Alija-Schule, die dem Abtransport entkommen waren. Dieser Anlaß wurde zur Gründungsstunde der illegalen Jugendgruppe "Chug Chaluzi" (Kreis der Pioniere). Während der Treffen der ca. 40 Untergetauchten wurde weiterhin Hebräisch, Palästinakunde, Religion u.v.m. unterrichtet. Außerdem fanden religiöse Feiern statt.

"Ich habe, so gut ich konnte, die jüdischen Feiertage berechnet. Es gab ja keine jüdischen Kalender mehr."

Von Anfang an war es unser Ziel, nicht nur das Leben dieser Menschen durchzubringen, sondern auch [...] sie geistig und menschlich zu stärken und sie im Sinne unserer zionistischen Ideen auch weiter zu bilden. Wir wollten unsere Erziehungsarbeit, so wie wir sie vorher verstanden hatten, auch unter den schwierigsten Bedingungen weiterführen, mit allem, was uns immer wichtig gewesen war: das Bewußtsein für die jüdische Tradition und die jüdische Gemeinschaft, die Kameradschaft untereinander, und nicht zuletzt auch das Interesse an Kultur und Literatur.

Die geistig-moralische Stärkung der Gruppe war die Aufgabe von Jizchak Schwersenz, während Edith Wolff vor allem die praktischen Fragen der Illegalität zu lösen versuchte. Nach der Verhaftung Edith Wolffs am 19. Juni 1943 brachen auch die Kontakte mit einigen Helfern ab und es mußten neue gefunden werden.

Weihnachten 1943 wagte Jizchak Schwersenz den Besuch bei guten Freunden in Nordhausen im Harz. Am Ende erwies sich das als großer Fehler. Das Passfoto für den 'Arier Heinz Joachim' Seine falsche Identität wurde enttarnt . Da er seine Papiere nicht mehr verwenden konnte, war er in großer Gefahr und mußte sich Gedanken über eine baldige Flucht ins Ausland machen. Dabei half ihm Luise Meier. Sie stellte den Kontakt zu Herbert Strunck her, von dem er einen Wehrmachtsausweis und eine Uniform erhielt." In der Bahn waren immer wieder Kontrollen, denen ich meinen gefälschten Ausweis vorzeigen musste - ohne zu zittern! Wie ich das konnte, weiß ich nicht mehr." In dieser Verkleidung fuhr er unter Begleitung einer jüdischen Frau, die auf dieselbe Weise fliehen wollte, nach Singen, nahe der Schweizer Grenze. Hier boten einige Bauern gegen ein Entgelt die Führung bis zur Grenze an.
Am 13.2.1944 war es dann soweit. Jizchak Schwersenz und seine Begleiterin machten sich auf den gefährlichen Weg über die Grenze. In der Schweiz angelangt, wurden sie unter Verdacht der Spionage festgenommen und inhaftiert. Auf Veranlassung der Jüdischen Kultusgemeinde Schaffhausen wurden sie jedoch bald wieder entlassen und in ein Flüchtlingslager bei Zürich eingewiesen.
In der Schweiz traf er sich mit Nathan Schwalb, der Kontakte zu fast allen zionistischen Bewegungen hergestellt hatte. Mit seiner Hilfe konnte Kontakt zur versteckten Gruppe in Berlin aufgenommen und größere Geldmengen an die Freunde in Berlin geschickt werden. Der Plan, alle Mitglieder der versteckten Gruppe aus Deutschland zu schmuggeln, schlug aber schon in seinen Anfängen fehl. Zwei Frauen, die wie Jizchak Schwersenz fliehen sollten, hatten den Befragungen von Beamten in der Bahn nicht standgehalten. So erfuhr die Gestapo von der Verbindung zu Unteroffizier Strunck und Frau Meier. Strunck wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, Meier verhaftet und erst durch die Amerikaner befreit.